
(Kauz & Haf) Nach einem fulminanten Start in Kufstein im vergangenen Jahr stand das Internationale Tiroler Literaturfestival SPRACHSALZ 2025 vom 12. bis 14. September vor einer Bewährungsprobe. Lesungen von internationalen Stars des Literaturbetriebs, interdisziplinäre Erkundungen vom Film bis zur Ausstellung und ein klammheimliches Jubiläum einer Punk-Hymne hoben SPRACHSALZ in diesem Jahr in neue Sphären. Neue Besucherrekorde sprechen für das vielseitige Programm. Die italienische Schriftstellerin und Zeitzeugin Dacia Maraini, der Norweger Johan Harstad, der japanische Shootingstar Mieko Kawakami, Punk-Legende Eric Goulden als Wreckless Eric und viele andere sind die Gesichter von SPRACHSALZ 2025. |

“Nach dem Spiel ist vor dem Spiel”, lautet die bekannte Fußball-Weisheit, die in diesem Jahr mehr als jemals zuvor für SPRACHSALZ galt. Nach über 20 Jahren war das internationale Literaturfestival von seinem Gründungsort
Hall nach Kufstein übersiedelt und legte dort 2024 einen fulminanten Neustart vor. Dementsprechend hoch lag die Latte für das Programm, an dem das SPRACHSALZ-Team seitdem mit Hochdruck gefeilt hatte. Die harte Arbeit hat sich gelohnt. Neue Besucherrekorde bei fast allen Veranstaltungen hoben SPRACHSALZ an seinem neuen Standort auf ein neues Level.
Traditionell eröffnete am Freitag eine Tiroler Autorin das Festival. In ihrem Gedichtband “Das zweite Gesicht” tritt Erika Wimmer Mazohl mit niemand geringerem als Dante Alighieri in Dialog. Das große Interesse an der Arbeit von Wimmer Mazohl zeigte sich auch im sonntäglichen Clubgespräch in der Galerie dia:log, wo das Publikum gemeinsam mit dem SPRACHSALZ-Team jede noch verfügbare Sitzgelegenheit hinauf in den ersten Stock zum Lesetisch trug.
Der Kölner Autor Yannic Han Biao Federer begeisterte und berührte das Publikum mit seinem Roman “Tao”, einer Familiengeschichte von Hongkong über Indonesien bis nach Deutschland. Dass Erinnern und Trauern eine Form von Liebe ist, spürte das Publikum in Federers Roman über seinen toten Sohn Gustav Tian Ming “Für immer sehe ich dich wieder” eindringlich. Nach ihm las der in Berlin lebende russische Autor Viktor Jerofejew aus “Der große Gopnik”, dem neuesten,von autofiktionalen Elementen durchzogenem Roman des Exil-Autors. In der Lesung von Franz Hohler verflossen die Grenzen zwischen spielerisch und ernsthaft, zwischen Alltagsbeobachtungen und tiefgreifenden Fragen. Der Schweizer Künstler trug sein Gedicht vom Weltuntergang vor, der mit einem harmlosen Tierchen Am Anfang wird auf einer ziemlich kleinen Insel im südlichen Pazifik ein Käfer verschwinden.” Der deutsche Dichter Durs Grünbein begibt sich in seiner Arbeit als “melancholischer Aufklärer und Restromantiker” (Deutschlandfunk) auf die Spur der Frage, was es heißt, ein Mensch zu sein. Bei SPRACHSALZ las er aus “Der Komet” und aus seinem vielfach preisgekrönten lyrischen Werk.
SPRACHSALZ MINI bot Kindern von 3-10 Jahren heuer Lesungen von Marco Kerler und Franz Hohler. Am Samstag fand die beliebte und sehr gut besuchte Bastelwerkstatt mit Christian Yeti Beirer statt: Vom Strichmännchen zum Comic, von ersten Schreibversuchen zu einer kleinen Geschichte und mit Nadel, Faden und Klammer zum eigenen kleinen Buch.
Wer tippt denn da draußen? Das fragten sich einige Besucher*innen, die am diesjährigen SPRACHSALZ vom Geräusch einer mechanischen Schreibmaschine akustisch begrüßt wurden. Die Antwort lautete: Marco Kerler. Der in Ulm lebende Dichter verwandelte sich für die Dauer des Festivals in eine regelrechte Poesie-Maschine. Auf seiner “Hermes Baby” spendete er allen, die vor ihm am Stuhl Platz nahmen, ein Gedicht, verfasst innerhalb einer Minute. Die so in Worte Gefassten waren wiederum angehalten, ihren Text vor der Linse von Fotograf Yves Noir vorzutragen. Das Ergebnis wird bald auf den Kanälen von SPRACHSALZ zu sehen sein.
Es dauerte nicht lange, bis die italienische Schriftstellerin und Zeitzeugin Dacia Maraini zum Publikumsliebling avancierte. Im Roman “Ein halber Löffel Reis” erzählt sie von ihrer Kindheit in einem japanischen Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs. Im Clubgespräch mit Renate Giacomuzzi mahnte sie an die aktuelle politische Im Lager verstand ich, wie gefährlich es ist, wenn Menschen viel Macht über andere haben. Es gibt keine Alternative zur Demokratie, deren Werte wir trotz ihrer Schwächen und Schwierigkeiten in Europa verteidigen müssen. Das ist die größte Aufgabe unserer Zeit”, appellierte sie ans Publikum, das ihr unter Tränen und nicht enden wollendem Applaus Standing Ovations spendete.
Der späte Freitagabend stand ganz im Zeichen der Musik. Als der Musikjournalist, langjährige SPRACHSALZ-Mitarbeiter und in London lebende Autor Hanspeter Düsi Künzler seine Hommage an sein Stadtviertel Kilburn vorstellte, stimmte der Folgegast Eric Goulden aka Wreckless Eric gleich mit einem Lied auf der Gitarre ein. Für die Lesung von Wreckless Eric nahm Künzler wieder seine gewohnte Rolle als Interviewer ein – ein dankbarer Job für das 71-jährige Energiebündel. Szenen aus der Lesung: Goulden, der mit seinem breiten Cockney-Akzent die Vorzüge der heuer erstmals eingesetzten Dolmetsch-KI aufzählte und sie dabei an ihre Grenzen brachte. Nach und nach verwob sich die Stimme von Ernst Gossner, der meisterhaft den Text auf Deutsch vortrug, mit der akustischen Version von Wreckless Erics Hit “Whole Wide World”. Dass der 1974 geschriebene Song im letzten Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, wurde Goulden erst beim großen Gala-Abend bewusst. Eine verpasste Chance, wie er selbst einräumte. Gut, dass am Samstagabend nachgefeiert wurde. Er brachte mit seiner Performance das Publikum zum Tanzen.
In der loungigen Atmosphäre des Bar Vitus & Urban las der Grazer Autor Stephan Tikatsch aus seinen verspielt-spielerischen Gedichten. Ulrike Draesner aus Berlin trug bei ihrer Österreich-Premiere rhythmisch beschwingt aus ihrem Postepos “Penelopes sch( )iff” vor.
Johan Harstad, der norwegische Autor, stand in seiner Schweigsamkeit in direktem Kontrast zu den über tausendseitigen Monumentalwerken, für die er hierzulande bekannt geworden ist. “Unter dem Pflaster liegt der Strand” faszinierte, gelesen von Jürgen Tonkel, das Publikum.
Wer sich für japanische Gegenwartsliteratur interessiert, kommt an einem Namen nicht vorbei: Mieko Kawakami aus Tokyo präsentierte, begleitet von ihrer Übersetzerin Katja Busson, als in diesem Jahr am weitesten angereiste Autorin ihren jüngsten auf Deutsch erschienenen Roman “Das gelbe Haus”, gelesen von der Schauspielerin Brigitte Zeh.
Den Reigen komplettierte ein Künstler, der Literatur und bildende Kunst miteinander verbindet: der Südtiroler Matthias Schönweger mit seiner Performance “MENSCH, msch!” zu Martin Telsers gleichnamigen Dokumentarfilm.Mit SPRACHSALZ 2025 und rappelvollen Sälen mit über 4.000 Literaturbegeisterten hat Kufstein endgültig bewiesen, dass internationale Literatur hier ein neues Zuhause gefunden hat. Das kommende SPRACHSALZ wird vom 11. bis 13. September 2026 stattfinden
Alle Autor*innen beim Festival 2025 | ||
Alle Lesungen sind bei freiem Eintritt. Das vollständige Programm mit Zeiten, Orten und Zusatzformaten wie Sprachsalz Mini finden Sie unter www.sprachsalz.com. Presseanfragen an: presse@sprachsalz.com Das Sprachsalz-Team: Nächste Termine: 24. Ausgabe SPRACHSALZ 11. – 13. September
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